Flughafensee keine Badestelle mehr?

Flughafensee Tegel: Anwohner in ‚Waldidyll‘ wollen mittelfristig Schließung der Badestelle

In der Anwohnerschaft der am Tegeler Flughafensee angrenzenden Ein- und Mehrfamilienhaussiedlung ‚Waldidyll‘ ist man offensichtlich überwiegend der Meinung, dass der weitere Betrieb der Badestelle am See zumindest mittelfristig aufgegeben werden sollte. Dies ist das Fazit, das die Reinickendorfer Abgeordnete Emine Demirbüken-Wegner (CDU) aus ihrer ein Viertel Jahr währenden Bürgerumfrage zieht. Demirbüken-Wegner, in deren Wahlkreis das beschauliche Wohnquartier liegt, hat zwischen dem 01. Oktober 2020 und dem 15. Januar 2021 knapp 150 persönliche Gespräche, Telefonate, Video-Chats und E-Mail-Korrespondenzen geführt. „Basierend auf meinen ersten Erfahrungen am ‚Runden Tisch Flughafensee‘ der Initiative ‚I love Tegel‘ und etlichen Bürgerbeschwerden über die sommerlichen Zustände rund um den Flughafensee in 2019 und insbesondere 2020 habe ich im letzten Herbst begonnen, die Anwohnerinnen und Anwohner anzusprechen und mir deren Meinung zur Zukunft des Badesees zu notieren. Aus diesen Gesprächen und Korrespondenzen ist sehr eindeutig zu erkennen, dass die Menschen vor Ort nur noch wenig Akzeptanz für die Badenutzung des Sees aufbringen.“, so Demirbüken-Wegner.

Flughafensee (Gregor Heise (Wikipedia CC BY-SA 3.0))

Foto: Gregor Heise (Wikipedia CC BY-SA 3.0)

Beklagt werden Lärm- und Vermüllungseffekte in den warmen Monaten des Jahres. Zudem wird von Anwohnerbelästigungen und Verbalattacken berichtet. Weiterhin beschwerten sich die Grundstückseigentümer und Mieter über teilweise unpassierbare Straßen, zugeparkte Einfahrten und menschliche ‚Hinterlassenschaften‘ links und rechts der Zuwegungen zum See. Besondere Ärgernisse sind darüber hinaus illegale Müllablagerungen am nördlichen und östlichen Waldrand, der den See umgibt. Demirbüken-Wegner ließ von ihrem Bürgerbüro zudem die rechtlichen Rahmenbedingungen betreffend des Sees erarbeiten. Die Zuständigkeiten liegen fast ausschließlich beim Bezirk Reinickendorf. So muss dieser gemäß dem ‚Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz‘ für Ruhe und Ordnung sorgen.

Dafür kommt das bezirkliche Ordnungsamt (OA) zum Einsatz. Gleiches gilt für das Verhindern illegaler (Zelt-)Übernachtungen oder die Einhaltung des Grillverbotes. Auch die Überwachung des ruhenden Verkehrs obliegt dem Ordnungsamt. Das bezirkliche Grün- und Straßenbauamt (GSA) ist grundsätzlich zuständig für die Pflege der Natur und müsste die Müllbeseitigung bewerkstelligen. Hier allerdings wurde zwischen 2018 und 2020 versuchsweise die Berliner Stadtreinigung beauftragt. Laut Auskunft der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) ist ab 2021 diese Aufgabe dauerhaft an die BSR übertragen worden, allerdings anlassbezogen und nicht in festen Intervallen.

„Jeder Spaziergänger am See kennt die Hinweistafeln auf den Naturschutz und insbesondere auf den Vogelschutz. Teile des Flughafensees unterliegen faktisch aber eben nicht rechtlich dem Naturschutz.“ erläutert Demirbüken-Wegner, „Der Naturschutzbund Berlin (Nabu) betreut ehrenamtlich das Vogelschutzreservat am Flughafensee und fordert eine rechtliche Qualifizierung dieses Gebietes. Ziel ist die Ausweisung des rund 30 Hektar großen Areals als Naturschutzgebiet. Der Nabu führt in seiner Argumentation u.a. an, dass mit der erfolgten Schließung des Flughafens TXL und den geplanten Bebauungen für Wohnen (Kurst-Schumacher-Quartier) und Gewerbe (Urban Tech Republic) eine für diese Gebiete nahe Naturoase weiterentwickelt werden kann. Dies wäre auch für den Unterrichtsstoff der umliegenden Schulen in Tegel-Süd bzw. im Auguste- Viktoria-Quartier eine gute Option. Planungen, den Flughafensee mit einem Fußweg rund um den See oder gar Steganlagen zu versehen, werden sehr kritisch gesehen. Zudem wird beklagt, dass die vorhandenen Zaun- und Zuwegungsanlagen, die derzeit das Vogelschutzreservat schützen sollen, wiederholt offensichtlich mutwillig zerstört wurden.“ Die Naturschützer nehmen damit Gedanken aus dem 2018 vom Bezirk formulierten Städtebaulichen Entwicklungskonzept auf und entwickeln diese weiter. Bereits 2016 hatte das Abgeordnetenhaus von Berlin entsprechende Absichtserklärungen beschlossen. Eine rechtlich verbindliche Realisierung der Schutzreservatspläne sei aber erst zur Mitte der 2020er seitens der Sen UVK angekündigt. „Zu spät, zu unsicher!“ sagen Eingeweihte dazu.

Deutlich herausgekommen ist in den Bürgergesprächen der Vorwurf, OA und Polizei seien nur sporadisch und damit unzureichend vor Ort. Laut Polizeistatistik sind in den letzten drei Jahren Einsatzkräfte zwischen 30 und 40 Mal pro Jahr am Flughafensee und dessen Umgebung gewesen. Auch das bezirkliche Ordnungsamt ist an den Sommerwochenenden regelmäßig im Streifendienst. Polizei und OA wurden in 2020 sogar mittels Hubschraubereinsatz unterstützt.

„Eine dauerhafte Präsenz der Ordnungskräfte ist das Idealbild der Bürgerinnen und Bürger. Ich habe in allen Gesprächen und Mailverkehren deutlich gemacht, dass dies die Personalausstattung in den jeweiligen Behörden einfach nicht zulässt. Bei einer Spitze von täglich ca. 1.500 Besuchern im Sommer 2020 wären die Landesbediensteten auch hoffnungslos unterlegen. Und das regelmäßige Zustoßen einer Einsatz-Hundertschaft der Berliner Polizei ist vor dem Hintergrund der Hauptstadt-bedingten Belastungen auch nicht sicherzustellen.“ sagt die CDU-Abgeordnete. Laut Anwohner*innen gelingt es auch nicht, die seit 1984/85 vorhandenen Schrankenanlagen an den Zufahrten zur Wohnsiedlung ‚Waldidyll‘ bedarfsgerecht einzusetzen. Diese wurden seinerzeit auf Initiative der Bezirksverordnetenversammlung installiert. Diese Halbschrankenanlagen werden durch klappbare Verkehrszeichen ergänzt und können auf Anordnungen des Bezirks durch OA oder Polizei genutzt werden, um die Zufahrten zum Flughafensee und das angrenzende Waldgebiet zu regulieren bzw. gänzlich auszuschließen. Die Anlagen und Schilder seien häufig beschädigt und nutzen dann nichts. Selbst deren regelbedingter Einsatz helfe mitunter nicht. Einbahnstraßen würden rechtswidrig genutzt und der Parkverkehr verstopft die Zufahrten für Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge, wie dies bspw. an einem Wochenende im Sommer 2020 zu einem regelrechten Verkehrschaos führte, berichten die dort Wohnenden.

„Der Flughafensee ist laut aktueller EG-Badegewässerliste als Badegewässer ausgewiesen.“

heißt es aus der Sen UVK. Ausgenommen hiervon sind das sogenannte Vorbecken südöstlich des Sees und das Vogelschutzgebiet. Quellen aus dem Rathaus Reinickendorf zufolge plant der Bezirk unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger eine Änderung des bestehenden ‚Landschaftsplanes Flughafensee‘ (XX-L-4), um zumindest einen weiteren „räumlichen Wildwuchs“ durch die Badenden einzudämmen und eine abgegrenzte Badestelle geographisch zu definieren. Damit könnten die Voraussetzungen für die wahrscheinlich private Bewirtschaftung des Badesees geschaffen werden. „Der Bezirk verspricht sich davon eine Regulierung der Nutzung, eine Eindämmung der zeitweise explodierenden Nutzerzahlen und eine Entlastung bei den Kosten von Müllentsorgung und Schäden an der Natur.“ interpretiert Demirbüken-Wegner dieses Vorhaben. „Während meiner 147 Kontakte zum Thema ‚Zukunft Flughafensee‘ in der Siedlung ‚Waldidyll‘ wurde es einerseits begrüßt, dass der Bezirk eine entsprechende Initiative ergreift. Andererseits verwiesen Bewohner*innen der Siedlung, die seit Jahrzehnten dort ansässig sind, darauf, dass selbst die Einzäunung der durch die Nutzung als Kiesgrube (1953-1978) entstandenen gefährlichen Uferbereiche in den 1980er/1990 erniedergerissen wurde, sodass diese letztlich wieder beseitigt werden musste.“ Einige Gesprächspartner verwiesen auf diverse Freizeitpublikationen, u.a. auch offizielle von Nachbarbezirken Reinickendorfs, in denen die Vorteile des Flughafensees als freie und kostenlose Badestelle gepriesen werden. „Bei den Menschen hier herrscht der Eindruck vor, dass Tegel-Süd dafür herhalten muss, was der Wedding oder das westliche Pankow seinen Einwohner*innen nicht bieten kann oder will. Die große Mehrheit meiner Gesprächspartner hat bereits resigniert und sieht nur in der endgültigen Schließung des Flughafensees als Badestelle eine Lösung. Die meisten wissen, dass dies eher mittelfristig realisiert werden könnte und hoffen auf entsprechende Planungen im Zuge der Umnutzung des alten TXL. Man ist es nach 35 Jahren dauerhafter Ärgernisse und Unzumutbarkeiten einfach leid, mit letztlich nutzlosen Zwischenlösungen permanent vertröstet zu werden. Ich sehe es als eine Hauptaufgabe der Entscheider in Land und Bezirk, in den kommenden Jahren diesen ‚Gordischen Knoten Flughafensee‘ zu durchschlagen und sich auch hier von alten Westberliner Nutzungskonzepten zu verabschieden. Wir sind nicht mehr eingemauert und wir könnten bspw. mit der Idee eines Kombi- Bades auf dem alten TXL-Gelände einen mehr als vollwertigen Ersatz schaffen.“ fordert Demirbüken-Wegner.

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